Worte von Herrn Prof. Dr. h.c. Ludwig Georg Braun anlässlich der Ausstellung im Foyer der B. Braun Melsungen AG, Juni 1998
Es sind fast zehn Jahre vergangen, seit ich ihm einige Worte der Interpretation seiner Arbeit widmen konnte. So bietet sich heute mir die Chance des Review, aber nicht nur mir, sondern vielen Freunden seiner Arbeit, die ihn in den zurückliegenden Jahren aufmerksam begleitet haben und die auch ein bisschen stolz sind, ihn zu kennen.
Und zu diesem Stolz zählt auch – und dies vorab – die Anerkennung, die wir ihm aussprechen können für sein konsequentes Voranbringen und Umsetzen seiner Ideen, überwiegend mit der Materie Holz.
Holz als lebendiges Material, das seine Geschichten immer wieder neu erzählt und das zugleich dem Menschen Maßstab sein kann für Zeitabläufe oder Zeitspannen, die wir im Alltag so leicht verdrängen und ihnen nicht mit der notwendigen Achtung begegnen wollen.
Holz zeichnet quasi als Seismograph die Ereignisse von Jahrzehnten, Jahrhunderten auf. Holz konserviert Vergangenes, macht es uns – wenn wir aufmerksam uns ihm widmen oder nähern – deutlich, dass jeder Abschnitt sich unterscheidet vom anderen.
Andreas Tollhopf verknüpft diese scheinbar tote Materie mir dem Leben, und er bedient sich, obwohl die Ausstellung uns Einblicke in drei verschiedene Schaffensepochen seiner jungen Bildhauer-Laufbahn gibt, in besonderer Weise der künstlerischen Gestaltungsform des Reliefs. Er bindet damit die Figuren an eine Fläche, er lässt die nicht frei im Raum stehen, ja, vielfach gibt er ihnen einen Rahmen und macht damit deutlich, dass der künstlerische Ausdruck über die Plastizität auch den Rahmen des jeweiligen Lebensraums finden muss.
Während die klassische Skulptur – und auch solche Arbeiten der frühen Phase finden wir vornehmlich aus seiner Zeit der bildhauerischen Ausbildung in Bischofsheim – Charakter in messbare und visuell aufnehmbare Struktur bringen will, sind seine späteren Arbeiten – so sie ohne klare Vorgaben des Auftraggebers waren – ein Stück aus dem täglichen Leben der Menschheit.
Andreas Tollhopf versucht, seinen Arbeiten Metaphern beizustellen, wenn ich es so ausdrücken kann, versucht, dem Ausdruck menschlichen Gestaltens und Wirkens auf dieser Erde mit den Verknüpfungen seiner Materialien einen durchaus auch historischen Bezug zu geben. Das Ursprüngliche und von Gott geschenkte Material Holz findet Ergänzungen zum Beispiel bei der Fischer’schen Säule an der Alten Brücke, wo die Verknüpfung mit dem vom Menschen geschaffenen Stahl ähnlich wiederkehrt wie in den Kupferplastiken der Stadtwald-Skulptur oder dem aus Stein gehauenen Brunnen der Volks- und Raiffeisenbank.
Bearbeitung – Eingriffe also des Menschen, des Künstlers, um seinen Emotionen Ausdruck zu verleihen, um bewegende Momente einzufangen und ein Stück unvergänglich zu machen in dieser von Vergänglichkeit geprägten Welt.
Das Negativrelief als die ihn heute in besonderer Weise beschäftigende Technik seiner Arbeit, vielleicht auch eine Entsprechung des uns Formenden mehr als des durch uns zu Gestaltenden, Begrenzung zugleich, denn nur durch sie wirkt das Negativrelief in der überzeugenden Form des sich auch selbst Schatten gebenden Bildes. Also eigene Prägungen verdeutlichen eine Faszination, die aus der historischen Bedeutung der Reliefkunst ihn beeindruckend gewachsen sein mag und der er seine eigene Fortschreibung wagt hinzugeben, nicht weil er die außergewöhnliche Reliefkunst des alten Orients, der babylonischen Kunst und der assyrischen Kunst nicht respektvoll zu werten wüsste, sondern quasi wie das ‚Yin‘ zum Yang‘ versucht, die äußeren Einflüsse auf das menschliche Leben, auf das Leben schlechthin in der umgekehrten Form einzufangen.
Während in den frühen Arbeiten Andreas Tollhopf noch bemüht war, die Gestaltung und Ausbringung seiner Formen intensiv aufzuarbeiten, lässt er heute auch mutig die harten Zeichen industriellen Einflusses in seinen Skulpturen gelten. Kanthölzer, aufgesetzte Bohlen, Spuren vom Sägewerk, Elemente technischen Eingriffs sollen deutlich bleiben und bieten keinen Anlass, in der Fesselung des schönen Anblicks der Gestaltung der Realität des Tages zu entfliehen.
Welt ist, wie sie ist, hart und lieblich, aber immer wieder auch neu dank dessen, der sie gemacht hat, der sie geschaffen hat. Andreas Tollhopf will in seiner jetzigen Phase – so hat er mir berichtet – besonderen Wert legen, Natur nicht zu verformen, sondern die Form der Natur für die Darstellung seines Anliegens zu nutzen. Nicht der anthropozentrische Ansatz des Gestaltens und Untertänigmachens durch den Menschen, sondern eines Miteinanders, eines die Größe und Vielfalt des natürlich Gegebenen zum Wohle aller zu nutzen könnte ein Element der Interpretation und des Anliegens des heutigen Künstlers Andreas Tollhopf sein.
Vor zehn Jahren wünschte ich ihm das Glück des Eintritts in die große Tradition des humanistischen Widerstandes gegen die Gleichgültigkeit. Ich freue mich, zu sehen und zu empfinden, dass er ein gutes Stück auf diesem Wege vorangekommen ist.
Ich wünsche Ihnen Freude an dieser kleinen Ausstellung und dem Künstler viel Erfolg an seiner Arbeit für, an und mit uns.
Ludwig Georg Braun
Melsungen, 15. Juni 1998